Die Grundlagen des Dehnens

„EXPAND your Piercing“ – dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Thorsten Sekira geschrieben – seine wichtigsten Eckpunkte bildeten das Grundgerüst des Artikels, welchen ich dann mit Recherchen und Fakten entsprechend angereichert und ausformuliert habe! Der Artikel erschien im EXPAND #3 – Ende 2005!

expand your piercing

Die Grundlagen des Dehnens

Ein  Piercing  zu  dehnen  ist  eine Prozedur, die nahezu in jeder alten  und  neueren  „Piercing  Kultur“ bekannt ist. In den meisten traditionellen  Kulturen  ist  ein gedehntes  Piercing  mit  einer persönlichen,  spirituellen  oder sozialen  Bedeutung  belegt.  Ein Piercing – egal an welcher Stelle des Körpers dehnt sich nicht signifkant von einem Tag auf den anderen.  Es  ist  ein  sichtbares Zeichen für eine abgeschlossene Prozedur  über Wochen,  Monate und Jahre in Disziplin und Selbstbeherrschung.
So  tragen  zum  Beispiel  Frauen  auf Bali die meiste Zeit ihres Lebens ein eng zusammengerolltes Palmenblatt im  Lobe-Piercing  (Ohrläppchen)  um das Piercingloch offen zu halten und es gleichzeitig konstant und sanft zu dehnen. Dort steht also die Schaffung des gedehnten Ohrlochs  im Vordergrund und nicht so sehr das Tragen von Schmuck. Unter den Bewohnern Balis  gilt  ein  symmetrisch  weit  gedehntes Ohrloch als besonderes Zeichen von Reife und Schönheit, denn eine  solche  Dehnung  braucht  halt viel Zeit und Geduld – Eigenschaften, die ihre Trägerin auszeichnen.
Typisch  für  unsere  Zeit  und  unser „Piercing-Verständnis“  ist  die  Trennung  zwischen  dem  eigentlichen Piercing – dem Stechen und „Ersteinsatz“  –  und  dem  späteren  Dehnen (falls überhaupt vorgenommen).

Ritus des Dehnens
Allerdings  kommt man  auch  in  der heutigen Zeit nicht um den „Ritus des Dehnens“ und die damit verbundene Körpererfahrung  herum.  Egal  ob  es  nur ein kleiner Schritt  zur nächsten  Schmuckgröße  oder  ein  längeres Projekt zu einem verändertem Piercing  ist.  Das  Dehnen  der  Haut  erfordert  Sauberkeit,  Wissen  um  die Belastbarkeit und Zeit der Erholung die der zu dehnende Teil des Körpers braucht  und  –  das  aller  Wichtigste – es braucht Geduld!
Wäre es ein Leichtes und Sache von Minuten ein Piercingloch von 1.6 auf 16,  20  oder  30mm  zu  weiten;  gedehnte Piercings und der getragene Schmuck  würden  Ihren  besonderen  Reiz  des  Erreichens  verlieren.
Es  wäre  nichts  Aussergewöhnliches z.B.  einen  Plug  zu  tragen.  Doch  es passiert nun einmal nicht über Nacht und so bleibt etwas, was man nicht nur mit viel Einsatz erreicht, sondern etwas das viel Einsatz über eine lange Zeit  fordert. Das macht weit gedehnte  Piercings weltweit  und  über Kulturen  hinweg  zu  einem  Zeichen der Reife und Weisheit,  ein Weg  zu sagen  „ich  kontrolliere meinen Körper und akzeptiere was mein Körper von mir verlangt um heil an mein Ziel zu  gelangen“.  Im  Gegensatz  zum Stechen eines Piercings und Tattoos oder dem Schneiden und Brennen einer Scarifcation  ist das Dehnen ein Wechselspiel zwischen der Aktion der Modifkation  und  der  Reaktion  des Körpers  die  dann  erst  eine  weitere Aktion erlaubt.
Dieser  „Dialog“  mit  dem  eigenen Körper  ist der wichtigste Faktor des Dehnens.  Schmerzen  sind  grundsätzlich  ein  subjektives  Empfnden und je nach Person und Piercing unterschiedlich. Ist z.B. das Lobe noch „easy  going“  wird  es mit  längerem Stichkanal und empfndlicherer Körperregion  wie  z.B.  dem  Ampallang schon  interessanter.  Jeder  Mensch empfndet bei jeder Modifkation seines Körpers seinen eigenen und persönlichen  „Schmerzlevel“  steigt  der sprunghaft an, so ist das der besagte Dialog mit  dem  eigenen Körper mit dem  dieser  uns  versucht  zu  sagen „Okay, Stopp! Es reicht, bis hier her und nicht weiter“.
In  der  Regel  läuft  das  Dehnen  für den  „geduldigen  Dehn-Typ“  relativ schmerzfrei  ab.  Der  geduldige  Typ geht mit dem Grundsatz  „sicher und langsam“  an  die  Sache  heran  und sorgt  sich nicht um die Zeit, die  es braucht ans Ziel zu kommen. Für ihn zählt  es  alleine  mit  optimalem  Ergebnis seinen Körper zu modifzieren und  keinen Gefahren wie  z.B.  einer Infektion  auszusetzen.  Klingt  langweilig und fast schon konservativ, ist aber vernünftig und eigentlich immer von Erfolg gekrönt.

Wunder über Nacht
Im Gegensatz dazu geht der „ungeduldige Dehn-Typ“ vor, denn es gibt natürlich  auch  Wege  sein  Piercing schnell  zu  weiten,  um  dann  dicken Schmuck, Plugs oder Tunnels zu tragen.
Durch  das  Punchen  (Herausstanzen von Gewebe) zum Beispiel oder dem einfachen Einschneiden des Gewebes mit einem Skalpell lässt sich schnell ein  „großes  Piercing“  realisieren.
Dieser  Weg  zum  dicken  Schmuck ist  sicher  noch  gangbar  und  führt – wenn  vernünftig  gemacht  –  auch ans  Ziel.  Allerdings  lässt  sich  diese Technik  nicht  beliebig  auf  alle  Bereich  anwenden  (z.B.  Intimbereich, Brustwarze, Zunge usw.) und bietet darüber  hinaus  nicht  immer  ein  so schönes  optisches  Ergebnis wie  der lange  Weg  des  „geduldigen  Dehn-Typs“.  Ergänzend  sei  gesagt,  dass bei diesen Methoden meist ein ausgeprägteres Narbengewebe entsteht, was  ein  weiteres  Dehnen  über  den erreichten Status-Quo hinaus erheblich erschwert.
Für  den  ungeduldigen  Typ  kann  es aber auch sinnvoll sein – für ein späteres  „geduldiges Dehnen“  –  einige Piercings  gleich  in  einer  größeren Stärke zu piercen. Zum Beispiel kann der Ersteinsatz im Lobe direkt bis zu 4mm dick sein. Man sollte allerdings darauf  achten während  der Heilung (das  gilt  auch  später  zwischen  den Dehnschritten)  keinen  zu  schweren Schmuck zu  tragen um eine zu einseitige Belastung zu vermeiden.
Damit  wären  beide  Dehn-Typen schon  fast erklärt, gäbe es da nicht noch  eine  Splittergruppe  des  „ungeduldigen  Dehn-Typs“  –  den  „unvernünftigen Dehn-Typ“. Von seinen „Gewaltmethoden“  ist  dringend  abzuraten. So werden in recht blutigen Sitzungen  so  lange  konische  Materialien  durch  ein  frisch  gepierctes Loch „geprügelt“, bis man „in einem Rutsch“ von 0 auf 10mm gekommen ist. Das Trauma dem das Gewebe da ausgesetzt wird, mit  seiner Vielzahl der unterschiedlichsten Verletzungen und  Quetschungen,  kann  zu  den abenteuerlichsten Entzündungen und Abwehrreaktionen  des  Körpers  führen.  Im  schlimmsten Fall kommt es durch eine akute Unterversorgung zu dauerhaften Schädigungen der Haut oder des Knorpelgewebes.

Was passiert genau?
Werfen wir  einen  Blick  auf  die medizinisch,  anatomische  Seite  des Dehnens. Was  genau  passiert  beim Dehnen eines Piercinglochs? Nun, ja das ist so genau nicht einfach zu erklären, im groben passiert folgendes – durch das Dehnen  / Spannen der Haut  rund  um  das  Piercing  und  im Piercing-Kanal  entstehen  gleichmäßig  verteilte  mikroskopisch  kleine Risse  im Kollagengefecht der Haut.
Dadurch  entstehen  Freiräume  zwischen den Hautzellen, die mit der Zeit durch neue Zellen ausgefüllt werden.
Die Haut weitet sich und baut mehr und mehr die entstandene Spannung ab.  Das  Kollagen  bindet  die  neuen Hautzellen  ein  und  das  geweitete Piercing  ist  erneut  „geheilt“.  Dieser Vorgang dauert – optimale Rahmenbedingungen vorausgesetzt – mindestens 6 Wochen.
Optimale  Voraussetzungen  sind  in diesem Fall ausreichend Luft am Piercing (ein frisch gedehntes Piercing sollte  nicht  durch  Schmuck  „eingeschlossen“ werden), gesunde Ernährung und Hygiene – jede Verschmutzung  des  gereizten  Piercings  kann zu  Problemen  und  Endzündungen führen.
Wird  der  Dehnvorgang  (auch  in vernünftigen  Schritten)  zu  schnell durchgeführt,  kann  es  zu  ungleichmäßig verteilten Rissen in der Kollagenschicht oder zu Rissen unterhalb der  Kollagenschicht  kommen.  Das kann wieder herum zu hypertropher Narbenbildung führen – was die weitere Dehnbarkeit dieser so verletzten Stelle stark beeinträchtigt. Sogar gegenteilige  Entwicklungen  sind möglich. Wirken  zu  starke  Zugkräfte in der Phase des Verheilens, so werden vermehrt  Bindegewebe  und  Blutgefäße  gebildet.  Es  kommt  zu  einer überschießenden Narbenbildung, der Narbenhypertrophie.  Diese  Narben sind oft sehr groß und wulstartig und können  somit  das  Piercing  optisch erkennbar  verziehen  –  das  Piercing wirkt schief und ungleichmäßig.

Die Voraussetzungen
Sicher die wichtigste Voraussetzung zum Dehnen, ist ein vollständig ausgeheiltes Piercing. Das Dehnen sollte wie  links beschrieben  in 1 bis 2mm Schritten erfolgen, gefolgt von einer mehrwöchigen Pause; diese  ist notwendig  damit  das  Gewebe  sich  erholen und  regenerieren kann. Diese Ruhephase  ist  damit  die  wichtigste Voraussetzung  für  den  nächsten Dehnschritt.
Leider liegt in der Mißachtung dieser Voraussetzungen die größte „Gefahr“ des Dehnens. Gehen  anfänglich  die Schritte zu leicht von der Hand, wird man euphorisch oder übermütig und verlangt dem Körper zuviel ab. Disziplin  und  Geduld  sind  also  ebenso Voraussetzung für ein langes und erfolgreiches Dehnen. Denn auch wenn man das Gefühl hat, es könnte noch ein wenig mehr „gehen“, ist es besser  zu  stoppen  und  die  planmäßige Pause  einzuhalten.  Ein  zu  schnelles Dehnen kann zu den beschriebenen Vernarbungen und Verletzungen führen  und  einen  um  Monate  zurück, oder  gar  ganz  „aus  dem  Rennen“ werfen.
Jeder  einzelne  Dehnschritt  für  sich genommen  sollte  also  nie  zu  groß ausfallen  –  je  nach  Gewebe  (gepiercter  Stelle)  sind  Dehnschritte von 1 bis maximal 2mm sinnvoll und gängig – in der Regel wird zur nächsten  Schmuckstärke  gedehnt.  Die bereits  erwähnten  6 Wochen  Pause zwischen  den  Schritten  sind  dabei nicht  übertrieben!  Man  muß  dem Körper  immer  ausreichend  Zeit  gewähren sich zu regenerieren und den nächsten Schritt möglich zu machen.
Setzt  man  diese  Grundregeln  um, sind  einem  stetig wachsenden  Piercing  dann  fast  keine Grenzen mehr gesetzt.
Der  sicherste Weg  zum  Dehnen  ist im übrigen immer noch der Weg ins Piercingstudio,  dort  bekommt  man die notwendige Hygiene geboten und meist ist das Dehnen ein kostenloser Service  wenn  der  danach  ohnehin benötigte  Schmuck  der  nächsten Stärke direkt vor Ort gekauft wird.

Die Vorbereitung
Das Dehnen an sich lässt sich mit der richtigen Vorbereitung recht unkompliziert  gestalten.  Das  Einweichen der  Haut  mit  heißem  Wickel  oder Bad  ist eine gute Vorbereitung. Das erhöht  die  Dehnbarkeit  und  fördert die Durchblutung, die Haut entspannt sich.
Für  Intim  oder  Brustwarzen-Piercing empfehlt sich ein Bad zu nehmen,  Piercings  im  Gesicht  können mit einem getränkten Handtuch eingeweicht  und  dabei  auch  massiert werden. Mindestens 2 bis 4 Minuten sollte man sich dafür Zeit nehmen – je länger, desto besser!
Anschließend  oder  schon  während des Einweichens und sanften Massierens,  sollte man  sein  Piercing  kontrollieren.  Gibt  es  evtl.  noch  kleine Risse oder Verletzungen, dünne oder gespannte Stellen?  Ist die Haut gerötet oder spürt man beim Berühren einen  Druckschmerz? Wenn  all  das nicht der Fall ist, kann man mit dem eigentlichen Dehnen beginnen – ansonsten  tut man gut daran hier abzubrechen  und  seinem Körper  noch ein wenig Zeit zu geben.

Das Dehnen
Um  seine  Dehnhilfe besser durch  den  Piercingkanal  zu  bekommen, sollte man Gleitgel verwendet.
Dieses sollte  jedoch vorher auf Verträglichkeit geprüft werden und möglichst auf Wasserbasis sein und steril in  kleinen  „Portions-Einwegverpackungen“ abgepackt sein. Denn Hygiene ist beim Dehnen sehr wichtig.
Das gedehnte Piercing sollte wie ein frisch  gestochenes  Piercing  behandelt werden. Auch während des Dehnens  ist darauf zu achten möglichst jeden unnötigen Kontakt der Hände mit  dem  Stichkanal  zu  vermeiden.
Geht man  zum  Dehnen  ins  Studio, wird der Piercer ohnehin Handschuhe tragen und die Dehnhilfe ist steril.
Das Gleitmittel  sollte vor dem Dehnen schon auf und in den Stichkanal aufgetragen  werden,  dann  wird  die Dehnhilfe  unter  behutsamen,  leichten Druck mit  regelmäßigen Pausen eingeführt. Wird  ein  Taper  verwendet,  so  ist  es  hilfreich  diesen  langsam mit Gegendruck  zu  drehen.  Es gilt  dabei  immer  darauf  zu  achten,  dass genug Gleitmittel vorhanden ist um  ein unangenehmes Anhaften  zu vermeiden. Geht es nicht mehr weiter,  kann  es  hilfreich sein die Seite zu  wechseln  und  die  Dehnhilfe am anderen Ende des Stichkanals einzuführen. Je  länger der Stichkanal  ist, desto  sinnvoller  ist  diese  Methode um  ein  gleichmäßiges  Dehnen  und bessere Beweglichkeit der Dehnhilfe zu  gewährleisten. Man  arbeitet  sich so von außen nach innen vor.
Nicht ungeduldig werden, das einzige Limit ist in der Regel das Austrocknen des  Gleitmittels;  es  kann  passieren das dieses beginnt zu kleben, in der Regel hält  es  aber  lange genug um den Dehnvorgang abzuschließen.
Ist  es  geschafft,  Führt  man  mit dem  Ende  der  Dehnhilfe  den  neuen  Schmuck  in  den  Kanal  ein.  Leider bietet nicht  jede Dehnhilfe oder Schmuck diese Möglichkeit des nahtlosen Einführens. Es sollte auf jeden Fall  darauf  geachtet  werden  kein scharfes  Gewinde  durch  den  frisch gedehnten und sicher noch gereizten Kanal  zu  führen.  Absolut  top  sind hier  Schmuckstücke  mit  Innengewinde (internally threaded).

Das Reinigen
Eventuelle Rückstände des Gleitmittels  rund  um  das  Piercing  sind mit einem sauberem Tuch schnell beseitigt, ggf. vorsichtig die umliegenden Bereiche waschen. Die Reinigung des gedehnten Piercings sollte allerdings mit  einem  wässrigen  Antiseptikum wie  z.B.  Octenisept  vorgenommen werden. Das kühlt die gereizte Stelle ein  wenig  ab  und  desinfziert  diese gleichzeitig.

Welcher Schmuck
Welcher Schmuck  ist  für das Tragen direkt  nach  dem  Dehnen  geeignet?
Grundsätzlich gilt das gleich wie für den  Ersteinsatz  beim  Piercing.  Der Schmuck sollte also mit Bedacht gewählt werden. Plugs und Tunnels verschließen oft den Stichkanal – allerdings braucht die gereizte Haut jetzt Luft um zu heilen. Solide Ringe sind ebenfalls nicht immer optimal, da sie durch  ihr Gewicht  evtl.  vorhandene Verletzungen  oder  Reizungen  im Stichkanal  weiter  fördern  bis  Risse entstehen. Das Gewicht lastet naturgemäß nicht gleichmäßig verteilt auf den Stichkanal sondern konzentriert sich  auf  eine  Stelle.  Von  schwerem Schmuck  ist  also  abzuraten.  Abhilfe  schaffen hier hohle  oder –  leichter  als Stahl – Titanringe. Sehr gut geeignet sind ebenfalls Eyelets oder Tunnel mit niedrigem Rand und  auf jeden Fall ohne O-Ringe (Haltegummies) – z.B. „Double Flared Eyelets“ (DFE).
Bezüglich des Materials ist zu sagen, dass man seine Erfahrungswerte aus dem Ersteinsatz seiner Piercings einfießen  lassen  sollte,  hat man  gute Erfahrungen  mit  Titan  oder  auch Chirurgenstahl  gemacht,  empfehlt es sich dabei zu bleiben. Kunststoffe sind  eher  weniger  geeignet.  Praktisch sind z.B. auch kleine Crescents (SRE, ERE), diese  sind  in der Regel nicht  zu  schwer  und  können  direkt nach  dem  Dehnen  als  „Ersteinsatz“ getragen werden.
Teilweise  gut  geeignet  sind  ebenfalls  organische  Materialien  (z.B. Holz) allerdings nicht alle Arten und nicht jede Verarbeitung. Besitzt man keine  Erfahrung  im  Umgang  mit organischem  Material  als  Piercing-Schmuck, möchte aber  trotzdem etwas mehr natürliches als Stahl oder Kunststoff tragen, sollte man sich mit diesem  Wunsch  vertrauensvoll  an seinen Piercer wenden. Mit der Richtigen Pfege und Behandlung  lassen sich  sehr  gute  Ergebnisse  erzielen und man kann die natürlichen Wirkstoffe  der  organischen  Materialien für  sich  arbeiten  lassen.

Regenerierung
Ist  das  gedehnte  Piercing  ein  paar Tage alt und macht keine Probleme, kannst Du damit beginnen, die Haut bei der Regenerierung zu unterstützen.  Es  gibt  die  verschiedensten Tips  und  Tricks  für  die  jeweils  vermeindlich    beste  Pfege,  tatsächlich aber  eine  allgemeingültige  Empfehlung abzugeben, ist schwer. Mancher mischt sich sein „geheimes Öl“ für die Pfege zusammen,  andere  schwören auf Kokosnuss-,  Jojoba- oder Raps-Öl.  Um  Narbenbildung  zu mindern, kommen  ebenfalls  die  unterschiedlichsten Mixturen  zum  Einsatz.  Egal ob  Teebaumöl  unverdünnt  oder  gelöst in heißem Wasser, verschiedene Salben  und  Tinkturen  aus  der  Apotheke, jeder Tip beansprucht für sich die beste Wirkung. Daher haben wir lange  darüber  beraten  was  wir  an dieser Stelle  dem  Leser  als  „heißen Tip“ mit auf den Weg geben und wir sind  auf  folgenden  gemeinsamen Nenner gekommen:

ES GEHT AUCH OHNE!

Mit anständiger Pfege, leichten Massagen um die Durchblutung anzuregen und gesunder Ernährung, haben wir  im Selbstversuch keine nachteiligen Wirkungen feststellen können.
In der Regel war nach 6 Wochen die neue Schmuckgröße entspannt tragbar und nach 8 bis 10 Wochen war dann die nächste Dehn-Session möglich. Um die Langeweile in der Wartezeit zu vertreiben, läßt sich super ein paralleles  „Dehn-Projekt“  anfangen – aber Vorsicht! SUCHTGEFAHR!

Verletzungen
Scheiße  passiert,  daher  kurz  zum „Worst-Case“:
Was tun wenn der Stichkanal verletzt ist, es blutet oder schmerzt?
In  dem Moment,  in  dem  der Stichkanal  verletzt  ist,  sollte  man das Dehnen „vergessen“ und sich primär um  die Wundversorgung  kümmern.
Sofort  wieder  zur  „gewohnten“ kleineren  Schmuckgröße  wechseln, die  Wunde  reinigen  /  desinfzieren mit  einem Antiseptikum. Halten  die Schmerzen  ungewöhnlich  lange  an oder blutet es stark, unverzüglich einen Arzt aufsuchen! Ansonsten gilt es das verletzte Piercing wie ein  frisch gestochenes zu behandeln – Du solltest entsprechende Erfahrungen mit der Pfege des Piercing ja bereits gesammelt haben.

Die Voraussetzungen
Sicher die wichtigste Voraussetzung
zum Dehnen, ist ein vollständig aus-
geheiltes Piercing. Das Dehnen sollte
wie  links beschrieben  in 1 bis 2mm
Schritten erfolgen, gefolgt von einer-
mehrwöchigen Pause; diese  ist not-
wendig  damit  das  Gewebe  sich  er-
holen und  regenerieren kann. Diese
Ruhephase  ist  damit  die  wichtigste
Voraussetzung  für  den  nächsten
Dehnschritt.
Leider liegt in der Mißachtung dieser
Voraussetzungen die größte „Gefahr“
des Dehnens. Gehen  anfänglich  die
Schritte zu leicht von der Hand, wird
man euphorisch oder übermütig und
verlangt dem Körper zuviel ab. Dis-
ziplin  und  Geduld  sind  also  ebenso
Voraussetzung für ein langes und er-
folgreiches Dehnen. Denn auch wenn
man das Gefühl hat, es könnte noch
ein wenig mehr „gehen“, ist es bes-
ser  zu  stoppen  und  die  planmäßige
Pause  einzuhalten.  Ein  zu  schnelles
Dehnen kann zu den beschriebenen
Vernarbungen und Verletzungen füh-
ren  und  einen  um  Monate  zurück,
oder  gar  ganz  „aus  dem  Rennen“
werfen.
Jeder  einzelne  Dehnschritt  für  sich
genommen  sollte  also  nie  zu  groß
ausfallen  –  je  nach  Gewebe  (ge-
piercter  Stelle)  sind  Dehnschritte
von 1 bis maximal 2mm sinnvoll und
gängig – in der Regel wird zur näch-
sten  Schmuckstärke  gedehnt.  Die
bereits  erwähnten  6 Wochen  Pause
zwischen  den  Schritten  sind  dabei
nicht  übertrieben!  Man  muß  dem
Körper  immer  ausreichend  Zeit  ge-
währen sich zu regenerieren und den
nächsten Schritt möglich zu machen.
Setzt  man  diese  Grundregeln  um,
sind  einem  stetig wachsenden  Pier-
cing  dann  fast  keine Grenzen mehr
gesetzt.
Der  sicherste Weg  zum  Dehnen  ist
im übrigen immer noch der Weg ins
Piercingstudio,  dort  bekommt  man
die notwendige Hygiene geboten und
meist ist das Dehnen ein kostenloser
Service  wenn  der  danach  ohnehin
benötigte  Schmuck  der  nächsten
Stärke direkt vor Ort gekauft wird.
Die Vorbereitung
Das Dehnen an sich lässt sich mit der
richtigen Vorbereitung recht unkom-
pliziert  gestalten.  Das  Einweichen
der  Haut  mit  heißem  Wickel  oder
Bad  ist eine gute Vorbereitung. Das
erhöht  die  Dehnbarkeit  und  fördert
die Durchblutung, die Haut entspan-
nt sich.
Für  Intim  oder  Brustwarzen-Pier-
cing empfehlt sich ein Bad zu neh-
men,  Piercings  im  Gesicht  können
mit einem getränkten Handtuch ein-
geweicht  und  dabei  auch  massiert
werden. Mindestens 2 bis 4 Minuten
sollte man sich dafür Zeit nehmen –
je länger, desto besser!
Anschließend  oder  schon  während
des Einweichens und sanften Massie-
rens,  sollte man  sein  Piercing  kon-
trollieren.  Gibt  es  evtl.  noch  kleine
Risse oder Verletzungen, dünne oder
gespannte Stellen?  Ist die Haut ge-
rötet oder spürt man beim Berühren
einen  Druckschmerz? Wenn  all  das
nicht der Fall ist, kann man mit dem
eigentlichen Dehnen beginnen – an-
sonsten  tut man gut daran hier ab-
zubrechen  und  seinem Körper  noch
ein wenig Zeit zu geben. Das Dehnen
Um  seine  Dehnhilfe  (siehe  Seite
14:  Crescent,  Taper,  etc.)  besser
durch  den  Piercingkanal  zu  bekom-
men, sollte man Gleitgel verwendet.
Dieses sollte  jedoch vorher auf Ver-
träglichkeit geprüft werden und mög-
lichst auf Wasserbasis sein und steril
in  kleinen  „Portions-Einwegverpa-
ckungen“ abgepackt sein. Denn Hy-
giene ist beim Dehnen sehr wichtig.
Das gedehnte Piercing sollte wie ein
frisch  gestochenes  Piercing  behan-
delt werden. Auch während des Deh-
nens  ist darauf zu achten möglichst
jeden unnötigen Kontakt der Hände
mit  dem  Stichkanal  zu  vermeiden.
Geht man  zum  Dehnen  ins  Studio,
wird der Piercer ohnehin Handschuhe
tragen und die Dehnhilfe ist steril.
Das Gleitmittel  sollte vor dem Deh-
nen schon auf und in den Stichkanal
aufgetragen  werden,  dann  wird  die
Dehnhilfe  unter  behutsamen,  leich-
ten Druck mit  regelmäßigen Pausen
eingeführt. Wird  ein  Taper  verwen-
det,  so  ist  es  hilfreich  diesen  lang-
sam mit Gegendruck  zu  drehen.  Es
gilt  dabei  immer  darauf  zu  achten,
dass genug Gleitmittel vorhanden ist
um  ein unangenehmes Anhaften  zu
vermeiden. Geht es nicht mehr wei-
ter,  kann  es  hilfreich  sein  die  Seite
zu  wechseln  und  die  Dehnhilfe  am
anderen Ende des Stichkanals einzu-
führen. Je  länger der Stichkanal  ist,
desto  sinnvoller  ist  diese  Methode
um  ein  gleichmäßiges  Dehnen  und
bessere Beweglichkeit der Dehnhilfe
zu  gewährleisten. Man  arbeitet  sich
so von außen nach innen vor.
Nicht ungeduldig werden, das einzige
Limit ist in der Regel das Austrocknen
des  Gleitmittels;  es  kann  passieren
das dieses beginnt zu kleben, in der
Regel hält  es  aber  lange genug um
den Dehnvorgang abzuschließen.
Ist  es  geschafft,  Führt  man  mit
dem  Ende  der  Dehnhilfe  den  neu-
en  Schmuck  in  den  Kanal  ein.  Lei-
der bietet nicht  jede Dehnhilfe oder
Schmuck diese Möglichkeit des naht-
losen Einführens. Es sollte auf jeden
Fall  darauf  geachtet  werden  kein
scharfes  Gewinde  durch  den  frisch
gedehnten und sicher noch gereizten
Kanal  zu  führen.  Absolut  top  sind
hier  Schmuckstücke  mit  Innenge-
winde (internally threaded).
Das Reinigen
Eventuelle Rückstände des Gleitmit-
tels  rund  um  das  Piercing  sind mit
einem sauberem Tuch schnell besei-
tigt, ggf. vorsichtig die umliegenden
Bereiche waschen. Die Reinigung des
gedehnten Piercings sollte allerdings
mit  einem  wässrigen  Antiseptikum
wie  z.B.  Octenisept  vorgenommen
werden. Das kühlt die gereizte Stelle
ein  wenig  ab  und  desinfziert  diese
gleichzeitig.
Welcher Schmuck
Welcher Schmuck  ist  für das Tragen
direkt  nach  dem  Dehnen  geeignet?
Grundsätzlich gilt das gleich wie  für
den  Ersteinsatz  beim  Piercing.  Der
Schmuck sollte also mit Bedacht ge-
wählt werden. Plugs und Tunnels ver-
schließen oft den Stichkanal – aller-
dings braucht die gereizte Haut jetzt
Luft um zu heilen. Solide Ringe sind
ebenfalls nicht immer optimal, da sie
durch  ihr Gewicht  evtl.  vorhandene
Verletzungen  oder  Reizungen  im
Stichkanal  weiter  fördern  bis  Risse
entstehen. Das Gewicht lastet natur-
gemäß nicht gleichmäßig verteilt auf
den Stichkanal sondern konzentriert
sich  auf  eine  Stelle.  Von  schwerem
Schmuck  ist  also  abzuraten.  Abhil-
fe  schaffen hier hohle  oder –  leich-
ter  als Stahl – Titanringe. Sehr gut
geeignet sind ebenfalls Eyelets oder
Tunnel mit niedrigem Rand und  auf
jeden Fall ohne O-Ringe (Haltegum-
mies) – z.B. „Double Flared Eyelets“
(DFE).
Bezüglich des Materials ist zu sagen,
dass man seine Erfahrungswerte aus
dem Ersteinsatz seiner Piercings ein-
fießen  lassen  sollte,  hat man  gute
Erfahrungen  mit  Titan  oder  auch
Chirurgenstahl  gemacht,  empfehlt
es sich dabei zu bleiben. Kunststoffe
sind  eher  weniger  geeignet.  Prak-
tisch sind z.B. auch kleine Crescents
(SRE, ERE), diese  sind  in der Regel
nicht  zu  schwer  und  können  direkt
nach  dem  Dehnen  als  „Ersteinsatz“
getragen werden.
Teilweise  gut  geeignet  sind  eben-
falls  organische  Materialien  (z.B.
Holz) allerdings nicht alle Arten und
nicht jede Verarbeitung. Besitzt man
keine  Erfahrung  im  Umgang  mit
organischem  Material  als  Piercing-
schmuck, möchte aber  trotzdem et-
was mehr natürliches als Stahl oder
Kunststoff tragen, sollte man sich mit
diesem  Wunsch  vertrauensvoll  an
seinen Piercer wenden. Mit der Rich-
tigen Pfege und Behandlung  lassen
sich  sehr  gute  Ergebnisse  erzielen
und man kann die natürlichen Wirk-
stoffe  der  organischen  Materialien
für  sich  arbeiten  lassen  (dazu  evtl.
mehr in einer der nächsten EXPAND
Ausgaben).
Regenerierung
Ist  das  gedehnte  Piercing  ein  paar
Tage alt und macht keine Probleme,
kannst Du damit beginnen, die Haut
bei der Regenerierung zu unterstüt-
zen.  Es  gibt  die  verschiedensten
Tips  und  Tricks  für  die  jeweils  ver-
meindlich    beste  Pfege,  tatsächlich
aber  eine  allgemeingültige  Empfeh-
lung abzugeben, ist schwer. Mancher
mischt sich sein „geheimes Öl“ für die
Pfege zusammen (siehe Artikel Kala
auf  Seite  10-12),  andere  schwören
auf Kokosnuss-,  Jojoba- oder Raps-
Öl.  Um  Narbenbildung  zu mindern,
kommen  ebenfalls  die  unterschied-
lichsten Mixturen  zum  Einsatz.  Egal
ob  Teebaumöl  unverdünnt  oder  ge-
löst in heißem Wasser, verschiedene
Salben  und  Tinkturen  aus  der  Apo-
theke, jeder Tip beansprucht für sich
die beste Wirkung. Daher haben wir
lange  darüber  beraten  was  wir  an
dieser Stelle  dem  Leser  als  „heißen
Tip“ mit auf den Weg geben und wir
sind  auf  folgenden  gemeinsamen
Nenner gekommen:
ES GEHT AUCH OHNE!
Mit anständiger Pfege, leichten Mas-
sagen um die Durchblutung anzure-
gen und gesunder Ernährung, haben
wir  im Selbstversuch keine nachtei-
ligen Wirkungen feststellen können.
In der Regel war nach 6 Wochen die
neue Schmuckgröße entspannt trag-
bar und nach 8 bis 10 Wochen war
dann die nächste Dehn-Session mög-
lich. Um die Langeweile in der Warte-
zeit zu vertreiben, läßt sich super ein
paralleles  „Dehn-Projekt“  anfangen
– aber Vorsicht! SUCHTGEFAHR!
Verletzungen
Scheiße  passiert,  daher  kurz  zum
„Worst-Case“:
Was tun wenn der Stichkanal verletzt
ist, es blutet oder schmerzt?
In  dem Moment,  in  dem  der Stich-
kanal  verletzt  ist,  sollte  man  das
Dehnen „vergessen“ und sich primär
um  die Wundversorgung  kümmern.
Sofort  wieder  zur  „gewohnten“
kleineren  Schmuckgröße  wechseln,
die  Wunde  reinigen  /  desinfzieren
mit  einem Antiseptikum. Halten  die
Schmerzen  ungewöhnlich  lange  an
oder blutet es stark, unverzüglich ei-
nen Arzt aufsuchen! Ansonsten gilt es
das verletzte Piercing wie ein  frisch
gestochenes zu behandeln – Du soll-
test entsprechende Erfahrungen mit
der Pfege des Piercing ja bereits ge-
sammelt haben.
Quellen-Verweise im Text
Autoren: Stephan Strestik und Thorsten Sekira
Expand Magazin #14Wildcat Deutschland GmbH